Marokko: Essen, Sitten, Alltag und Ängste

Wüstenglücksgefühle

Essen, Sitten und Alltag in einem anderen Land kennenzulernen, finde ich bereichernd.
Seit Wochen bin ich mit marokkanischen Freunden unterwegs und habe immer köstlich gegessen und mich inspirieren lassen.

Ich lerne zwischendurch auch Touristen kennen und höre zu, mit welchen Ängsten sie hier herkommen sind und wie erstaunt sie sind, dass so vieles gar nicht der Wahrheit entspricht. Wohl bemerkt: ihrer Wahrheit!
Denn wir sind doch alle nicht gefeit vor Einfluss, Medien und den Erfahrungen, die andere gemacht haben.
Die Frage ist immer nur: Worauf hörst du?

Essen gehen


Als ich heute mit einer Freundin telefonierte, die gerade auf einer organisierten Marokko-Rundreise ist, haben wir uns über das Essen unterhalten. Sie meinte, dass sie Salz kaufen musste, weil alles nicht gewürzt ist und nichts schmeckt.
Das tut mir leid, wenn jemand nach Marokko kommt und solche Erfahrungen macht!
In Marrakesch habe ich auch viele Restaurants ausprobiert und ich war fast immer enttäuscht!
Wieso würzen die Marokkaner für Touristen das Essen nicht?
Ich bitte den Kellner, jedes Mal, mir wenigstens Salz und Cumin (Kreuzkümmel) hinzustellen.
Dabei ist das Essen in Marokko bekannt für seinen Gewürzmarkt, für seine Komposition an herrlichen Gewürzen!

Neulich war ich für eine Nacht in einem edlen Hotel und habe das wunderschöne Ambiente des Hotels sehr genossen! Außer das Abendessen. Leider war es nicht so schmackhaft, wie ich es mit Einheimischen kenne. Meine Tischnachbarin, die das erste Mal in Marokko war, fand es sehr gut. Und ich dachte mir, nein, du kennst nicht wie originale marokkanische Küche schmeckt. Sie ist ein Gedicht! Das behielt ich aber für mich.

Gemeinsam zu essen ist ein Höhepunkt des Tages

Die Esskultur ist hier eine völlig andere. Man beginnt am Abend ein Tajine aufzusetzen, um dann irgendwann später zu essen. Gegessen wird am Ende des Abends, nicht am Anfang wie bei uns. Zumindest ist es das, was ich
hier so bis jetzt erlebt habe. So esse ich meistens nicht vor 23 Uhr zu Abend.

Zu Beginn meines Aufenthaltes hier, legte man mir ein Gedeck hin, mit Messer, Gabel und Teller. Doch ich esse gerne mit den anderen aus einem großen Teller, wo jeder mit einem Stück Brot sich bedient. Das Brot ist die Gabel. Da ich das noch besser üben muss, esse ich viel Brot. Viel zu viel Brot! Was eigentlich für mich nicht gerade auf einem günstigen Ernährungsplan steht, denn ich esse normalerweise kaum Brot. Doch hier nehme ich das, was mir geboten wird. So esse ich alles. Zu Hause auch fast nur vegetarisch und in manchen Zeiten auch vegan. Hier esse ich viel Fleisch. Nomaden essen viel Fleisch. In alten Zeiten sind sie mit ihrer Kamel- und Ziegenherde durch das Land gezogen.

Die Art hier auf diese gemeinsame Weise zu essen, führt dazu, dass man nicht isst, bis der eigene Teller leer ist, sondern bis man satt ist. Ein kleines Stück bleibt immer auf dem Teller übrig. Entweder für den Gast, also für mich, oder für die Katzen. Jeder ist darauf bedacht, mir das gute Stück Fleisch zukommen zu lassen.

Da ist keine Gier untereinander, alles wird geteilt. Die letzten Zigaretten, einfach alles.
Diese Beobachtung hat mich zu dem Gedanken geführt, dass dadurch ein viel größeres Wir-Bewusstsein entsteht.
Es ist irgendwie so: Schau nach dem anderen und dir wird gegeben.

Der Teppich ist das Wohnzimmer

Das Riad wo ich bin ist zurzeit eine Baustelle. Doch ich bin gerne hier und genieße das Zusammensein in netter Gesellschaft.
Auf dem Parkplatz im Hinterhof wird abends ein großer roter Teppich ausgerollt. Das ist unser Wohnzimmer sozusagen.
Manchmal fahren wir auch auf die Dünen am Abend und essen dort.

Wenn jeder sein Handy auspackt, und auch seine Lautstärke auf seine Bedürfnisse einstellt, sagt nie jemand: kannst du mal bitte leiser machen, oder aus machen, oder sonst irgendwas machen, was mich besser fühlen lässt. Wir wollen immer so gerne im außen was ändern, wenn uns was nicht passt. Aber die Realität ist doch die, dass man nicht erwarten kann, dass sich im Außen alles so fügt, wie es einem passt.

Hier lerne ich: Leben und leben lassen.

Der Abend hat viele Facetten der Kommunikation. Mal ist jeder in seiner eigenen Handywelt, dann wird mal ein Spiel zusammen gespielt, unterhalten, diskutiert, gelacht und Musik gehört. Musik ist immer noch sehr wichtig hier in Afrika.

Dann spät am Abend wird das köstliche Abendessen serviert. Egal, wer noch dazu kommt, es wird geteilt.
Kommen und Gehen, ein fortwährender Rhythmus. Die Türen sind offen.

Ich habe eine Freundin, die in New York lebt. Sie ist halb Französin und halb Sizilianerin.
Sie sagte zu mir, dass sie darunter leidet, dass man hier nie einfach so jemanden besuchen kann. Es braucht immer ein Date, eine Einladung, eine Verabredung in lang vorausgeplanter Zeit. Und da auch ein Appointment zu finden, ist schwer.
So können keine spontanen Treffen stattfinden.

Ich kenne das, weil ich auch lange Zeit in der Metropole New York gelebt habe.
Spontanität gegen getagten Alltag. Und jeder ist so unglaublich voll an Terminen und beschäftigt!
Das lässt wenig Platz für Freundschaften.

Natürlich lerne ich auch eine andere Seite in Marokko kennen.
Zum Beispiel, dass es auch Neid gibt, Vielversprecher, Gauner, Verführer und Ausbeuter.
Und dass nicht alles so golden scheint, wie es ist. Nicht jeder lässt sich in seine Karten schauen.
Es gibt hier auch Spitzel wie in alten DDR Zeiten. Überall und nicht wenige!
Das macht die Menschen hier auch misstrauisch und so spielen sie auch hier das Spiel der Anpassung und Vorsicht.


Im Gepäck sind alle Ängste mit dabei

Die Angst der anderen? Oder deine Angst?

Du wirst ihnen allen begegnen. Wenn du willst, allen! Die tief verstaubten Ängste genauso, wie die frisch gebackenen und neu verkündeten.

Es gibt immer einen Grund dafür, Angst zu haben. Und diese Gründe werden unbewusst als Ausreden benutzt, dich nicht in Bewegung zu bringen und lieber dort zu bleiben, wo du stehst und sitzt.

In einem Alter zu sein, wo es mich nicht mehr interessiert, was Bedenkenträger und angstgetriebene Menschen mir auf dem Weg mitgeben möchten, fühlt sich richtig gut an. Die Ratschläge sind nett gemeint. Doch möchte ich gerne selber meine eigenen Erfahrungen machen. Ich muss diese sogar machen! Denn es bin doch ICH, die unterwegs ist und ich werde mit meiner Energie Ereignisse und Menschen anziehen, die mit mir matchen. Oder ich mache Erfahrungen, die es braucht, um mich besser kennenzulernen und damit zu wachsen.

Wie kann ich von Menschen Ratschläge annehmen, die weder weit gereist sind, noch das Land und die Menschen kennen aus dem Ort wohin ich gehe?
Sich dem Leben in die Arme zu begeben, und immer wieder neu aufzustehen, dazu braucht es Mut.
Es braucht Intuition, eine gesunde Vorsicht und es darf aber auch nicht mit zu viel an Vorsicht überschüttet und erstickt werden.
Ich würde mich immer für das Risiko entscheiden, als mich von meinen Ängsten überrollen zu lassen.
Immer habe ich alles riskiert! Habe alles gelebt, was da an Erfahrung gelebt werden wollte. Bin durch Schluchten geschlittert, in Tälern hängen geblieben und an Mauern abgeprallt. Bin pampig und beleidigt stehen geblieben und wollte nichts mehr wissen. 

Mein Phönix aus der Asche erhob sich jedoch immer wieder.
Auch für die Liebe. Für das Risiko einer schlechten oder guten Erfahrung. 
Bei all dem lernte ich MICH kennen. Wer ich bin, was ich brauche, um glücklich zu sein und wie ich für mich sorgen kann, damit dieses Leben die beste Reise meines Lebens wird.

So entpacke auch ich meine Ängste auf Reisen und freue mich immer, wenn sie sich auflösen und ich sie als Illusion enttarne.
Ich lerne dadurch viel über meine innere Stimme, die ich manchmal im Leben ignoriert hatte und so im Nachhinein verstanden habe, wie sie mit mir kommuniziert.

Das Leben braucht Erfahrungen in allen Richtungen. Nur so verstehen wir, wer wir sind und was uns als Mensch ausmacht und was wir brauchen, um uns sicher und geborgen zu fühlen.

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